ein Motorrad Abenteuer bei den letzten Nomaden
Zeitraum: von Anfang Juni bis Ende Juli 2008
Teilnehmer: Albert Koch, Kurt Krammer, Rudolf Wagner
Stellen Sie sich vor, die Einwohner von Wien und Graz würden sich auf einer Fläche 44-mal so groß wie Österreich verteilen. Jetzt haben Sie einen Eindruck von der Weite und Einsamkeit der Mongolei und ahnen, warum Gastfreundschaft dort so groß geschrieben wird.
Endlich geschafft! Nach einem Jahr intensiver Vorbereitung waren wir für das Abenteuer Mongolei gerüstet. Passt! Die letzten Handgriffe bei den Transportgestellen unserer Motorräder BMW R1200GS Adventure und BMW R100GS Paris Dakar waren getan.
Nun wurden die zuverlässigen Motorräder bis zum „geht nicht mehr“ beladen und einer Spedition zum Flugtransport übergeben. Einige Tage später saßen wir selbst im Flugzeug, das uns über Seoul in Südkorea in die Hauptstadt der Mongolei, nach Ulaan Baatar brachte.
Schon während der Vorbereitungszeit kristallisierte sich das Cafe & Gästehaus OASIS in Ulaan Baatar, das von einem Deutsch-Österreichischen Ehepaar ( Rene u. Sibylle Pöschko ) errichtet und geführt wird, als idealer Startpunkt für unser Mongolei Abenteuer heraus.
Mit Hilfe unseres Dolmetschers erledigten wir die Behördenangelegeheiten – Spedition, Zoll, und die Anmeldung bei der Polizei – an einem einzigen Tag. Wie wir später erfahren, ist das absoluter Rekord.
Mit schwer bepackten Motorrädern fuhren wir am nächsten Tag durch die Hauptstadt.
Neugierige Blicke, hupende Autofahrer, die anerkennend den Daumen nach oben streckten begleiteten uns, wir verließen die Stadt Richtung Südosten.
Aufgrund der schlechten Straße hatte ich als Kameramann am Motorrad große Mühe, meine Filmkamera ruhig zu führen. Das Abenteuer „Mongolei“ hatte begonnen!
Nach einigen Stunden Fahrt, knapp vor unserem Tagesziel, plötzlich eine außergewöhnliche Bescherung: ein Wüstensandsturm hatte uns eingenommen und wir mussten sofort anhalten, denn bei einer solchen Situation ist an ein Weiterfahren nicht zu denken. Wir hielten uns und unsere Motorräder fest, um nicht vom Sandsturm weggerissen zu werden.
Mit viel Glück retteten wir uns in den Ort Choir ( Tschoir ), wo wir auch Unterschlupf fanden.
In der Nacht legte sich Gott sei Dank der Sandsturm und am nächsten Morgen atmeten wir so richtig befreit durch.
Die Reise ging weiter, mittlerweile hatten wir die Asphaltstraße verlassen und tasteten uns vorsichtig mit unseren schweren Maschinen auf der Sandpiste Richtung Südost-Gobi weiter.
Unsere Motorradroute führte lange Zeit entlang der Transsibirischen Eisenbahnlinie. Diese Verkehrsverbindung führt vom Norden in den Süden der Mongolei.
Wir fuhren auf einer von vielen Sandspuren in der Wüste, hoffentlich war unsere die richtige?! Die Temperatur betrug bereits über 30 Grad Celsius und wir mussten in immer kürzeren Abständen Trink- und Rastpausen einlegen.
Eigentlich wollten wir nur einen Abstecher in die Wüste Gobi machen, in Wirklichkeit wurde es ein abenteuerlicher Höllenritt von 1.500 Kilometer durch eine der faszinierendsten Wüsten unserer Erde.
Waren es am Anfang auf der Sandpiste noch ungewollte Achterbahn-mäßige Fahrbewegungen, so hatte Rudi jetzt die R1200GS Adventure schon recht gut im Griff und auch ich fühlte mich mit meiner Filmkamera schon recht sicher am Sozius. Kurt war auf seiner BMW R100GS Paris Dakar manchmal ja schon richtig „Rallye-mäßig“ unterwegs.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit fanden wir einen idealen Platz, um unsere Zelte aufzuschlagen. Völlig erschöpft von der Tagesetappe errichteten wir unser Nachtlager und ich begann sofort (nicht nur wegen meines Nachnamens Koch) mit der Zubereitung des Abendessens für das gesamte Team. Die tolle Abendstimmung und der herrliche Sonnenuntergang ließen diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.
Wir beschlossen den Tag mit dem einen oder anderen kräftigen Schluck original Dschingis Khan Wodka und dankten für den unfallfreien Tag.
Während Kurt und Rudi sich bereits in die Zelte zurückgezogen hatten, schrieb ich noch mit letztem Licht mein Film- und Tagebuch.
Es gab Tage, wo wir von in der Früh bis am Abend mit unseren Motorrädern unterwegs waren und in dieser Zeit niemandem begegnete -, fast unglaublich, aber war!
Unsere durchschnittliche Reisegeschwindigkeit betrug unter 30 Stundenkilometer, mehr als 80 Kilometer pro Tag waren manchmal nicht zu schaffen.
Immer wieder zogen Kamelherden an uns vorbei, ja sogar Wüstenantilopen waren in der flimmernden Hitze am Horizont erkennbar.
Etwas abseits der Piste entdeckten wir mongolische Kinder, die gerade beim Einsammeln von getrocknetem Kamelmist waren. Mist, der als Heizmaterial für die langen und harten Wintermonate zum Beheizen der Jurtenöfen dient.
Und plötzlich – vor uns tauchte eine dunkelgraue „Walze“ auf, wir ahnten es, der nächste Wüstensandsturm driftete auf uns zu, wir hielten an, und berieten, wo wir uns in dieser Situation notdürftig schützen könnten. Indessen hatten uns die ersten Sturmböen bereits erfasst, und der feine Wüstensand flog uns wieder um die Ohren, die Sicht war gleich null. Unsere Stoßgebete wurden offensichtlich erhört, weit abseits der Piste konnte ich einige Jurten oder Gers, wie man diese Nomaden Behausungen in der Mongolei bezeichnet, erkennen. Es gab nur einen Gedanken: diese so schnell wie möglich zu erreichen.
In letzter Sekunde angekommen und Unterschlupf gefunden zog auch schon der Wüstensturm, begleitet mit Starkregen und Hagel über uns drüber.
Ich dachte: „Weltuntergang in der Mongolei“.
Nach einer guten Stunde war der Spuk vorbei. Wir wollen weiterfahren, aber wo war die Piste?
Sie war unter den Wassermassen und Hagelkörnern verschwunden. Von allen Seiten kamen Bäche auf uns zu. Mit mehr Glück als Können überstanden wir die Wasserfahrt und konnten uns nach einer Stunde aufs Trockene retten.
Kaum hatten wir uns aus dieser misslichen Lage befreien können, steckten wir schon wieder, aber nicht im Wasser oder Dreck, sondern in einer Sandbank. Nun war Schwerstarbeit angesagt, durch Ziehen und Schieben konnten wir Motorrad für Motorrad aus dem Treibsand befreien, und das mit voller Motorradbekleidung und Temperaturen von nahezu 40 Grad Celsius.
Wir wollten noch einige Pistenkilometer unter die Stollen nehmen. Die Strecke war weiterhin äußerst anspruchsvoll. Jedes Mal lochte ich brutal ein, wenn der Blick auch nur für Sekunden von der Piste wegging.
Mit den letzten Wasser- und Treibstoff-Reserven erreichten wir nach rund 1.000 Kilometern auf extrem schwieriger Piste durch die Wüste endlich Dalandzadgad, das so genannte Südgobi Zentrum. Eine Stadt mit 50.000 Einwohnern und einem wichtigen Flugplatz.
Endlich geschafft! Verstaubt, verdreckt, ja aus nächster Nähe hätte man uns auch schon riechen können. Während der Fahrt träumten wir schon von einer heißen Dusche, um nach längerer Zeit uns wieder einmal so richtig sauber machen zu können.
Der Preis eines ordentlichen Zimmers mit Dusche war uns eigentlich egal, und so fragten wir gleich beim besten Hotel der Stadt an. Aber unsere Vorfreude wehrte nicht lange, als uns die Dame an der Rezeption mitteilte, dass es seit sieben Tagen keinen Strom mehr gebe in der Stadt, und sie auch nicht wisse, wann der Strom wieder komme. Dadurch gab es natürlich auch kein heißes Wasser. Uns war die Enttäuschung förmlich ins Gesicht geschrieben und so mussten wir uns letzten Endes mit kaltem Wasser begnügen.
Trotzdem beschlossen wir, hier zwei Rasttage einzulegen.
Ausgeruht brachen wir in den Gurvansaikhan National Park auf, in dem sich die berühmte Geierschlucht mit seiner einzigartigen Gletscher-Eishöhle befindet.
Auf dem Weg dorthin hielten wir immer wieder an, um zu filmen und zu fotografieren, aber natürlich auch, um die gigantische, faszinierende Wüstenlandschaft der Gobi auf uns wirken zu lassen.
Rund zwei Kilometer vor dem Eingang zur Eishöhle mussten wir von unseren über 100 PS starken Motorrädern auf eine Pferdestärke umsteigen, denn es war nur erlaubt, per Pferd, Kamel, oder zu Fuß bis zum Eingang der Höhle zu gelangen. So schreibt es die strenge National Park Ordnung vor.
Es war schon kurios, aber unbedingt sehenswert, mitten in der Südgobi Wüste eine Gletscher- Eishöhle mit blau schillernden Formationen zu erleben und das bei Temperaturen im Hochsommer von nahezu 50 Grad Celsius.
Wir waren noch schwer beeindruckt von der Eishöhle, aber die Zeit drängte, wir mussten weiter. Zuvor wurde noch ein Tankstopp eingelegt, schon beim Anrollen zur Zapfsäule begleiteten uns die fröhlichen Einwohner, egal ob Alt oder Jung, während des Tankens wurden wir regelrecht von einer Menschentraube umringt und bestaunt, wir verteilten unsere mitgebrachten Süßigkeiten, als Dank erhielten wir fröhliches Lächeln.
Da der Treibstoff nur 76 Oktan hat, mussten sich unsere Maschinen auf diese niedrige Oktanzahl umstellen. Es spielte auch keine so große Rolle, denn bis zu unserem nächsten Ziel konnten wir ohnehin keinen hohen Speed fahren.
Und dann auch noch das: Beim Durchchecken bemerkten wir einen großen Nagel, der sich bei unserer R1200GS Adventure in den Hinderradreifen gebohrt hatte. Rudi und ich beschlossen, die Tour trotz dieses Handicaps fortzusetzen.
Die Distanzen zwischen Nomadenzelten, Seen und Klöstern sind enorm. Einsam ist man deswegen aber noch lange nicht.
Von wegen einsame Weiten: Immer wieder tauchten aus dem Nichts der mongolischen Grassteppe Reiter oder Motorradfahrer auf – um zu schauen, was los ist.
Auch bei den weit verstreut liegenden Jurten sind Fremde (so auch wir) eine willkommene Abwechslung, Tee, Käse, Airak (das ist vergorene Stutenmilch ) und andere Milchprodukte waren stets zur Hand, um die Gäste zu bewirten. Aus der Stutenmilch wird der bei Mongolen über alles geliebte Airak hergestellt. Ich kann nur raten, mit großer Vorsicht diesem Getränk zuzusprechen. Für den Weg durch den Verdauungstrakt benötigt der leicht säuerliche Airak nur Minuten. Das Dargebotene zu verschmähen, gilt als unhöflich, ein kurzes Nippen oder ein kleiner Bissen tun der Höflichkeit allerdings schon Genüge.
…und sei es vom Hammelschwanz!
Die von Dschingis Khan im Jahre 1220 gegründete alte Hauptstadt Karakorum soll sich unmittelbar in der Nähe des heutigen Char Chorin befunden haben.
Wir besuchten eine Klosteranlage in Char Chorin, gingen in das Innere eines Tempels, versuchten uns so unauffällig wie möglich zu benehmen. Obwohl wir kein Wort der Mönche verstanden hatten, war ich gefesselt von der Atmosphäre. Es praktizierten hier vorwiegend junge Mönche ihre Religion. Ich wusste und weiß wenig vom Buddhismus, daher blieben viele Dinge im Verborgenen.
Nach gut zwei Stunden verließen wir das Kloster. Irgendwo im Menschenknäuel mussten unsere BMWs sein. Ich war mir sicher, die meisten der grinsenden Jungs hatten auch kurz unseren Helm auf dem Kopf gehabt. Es hatte aber nichts gefehlt.
Plötzlich war der Horizont voller schwarzer Wolken. Klar, wir waren in der Regenzeit unterwegs.
Wie stand das doch noch im Reiseführer? In der Regenzeit (Juni bis August) können Flussdurchfahrten zum Problem werden. Also zuerst zu Fuß durch die Bäche waten, nass bis zum Knie. Keine Schwierigkeiten. Nach und nach wurde ich mutiger. Den nächsten Fluss nahm ich mit Schwung. Eine Bugwelle wie beim Stapellauf eines Frachters war das Resultat.
Die nächste Flussdurchfahrt war für Kurt die vorläufige Endstation. Beim „Auftauchen“ hatte er eine tiefe Stelle erwischt. Seine BMW „verschluckte“ sich und verweigerte den weiteren Dienst. Jetzt war Schrauben angesagt!
Rudi und ich halfen Kurt bei der Trockenlegung der Elektrik, auch ein Teil des Motoröls musste abgelassen werden. Nach zwei Stunden waren wir wieder startklar. Wir waren nun endgültig auf dem Weg nach Tsetserleg.
Mitte Juli, pünktlich zum Geburtstag der Mongolischen Revolution 1921, strömen tausende Nomaden zu Speis, Trank und Kampf zusammen: Das dreitägige Naadam-Fest ist eine Herausforderung für Mensch und Tier.
Unterwegs trafen wir immer öfters Reitergruppen, die alle in die gleiche Richtung zogen.
Schnell fanden wir den Grund dieser „Völkerwanderung“ heraus: Naadam in Tsetserleg.
Wir schlossen uns an.
Ein Leuchten zog über das Gesicht eines jeden Mongolen, wenn vom Sport- und Volksfest Naadam die Rede war. In drei Disziplinen (Pferderennen, Ringen und Bogenschießen) wurden die jeweils Besten ermittelt.
Und dann ging es wirklich los. Hunderte Ringer treten bei dieser Veranstaltung im K.-o.-System gegeneinander an, Riesen gegen Zwerge, ganz ohne Zeitlimit. Gelegentlich entfielen die Schlusszeremonien, weil die Recken in ihren kecken blauen und roten Höschen einander stundenlang belauerten, anstatt den entscheidenden Griff zu setzen – schließlich geht es um viel für die Idole des Landes, und wer will sich nicht mit bescheidenen Titeln wie „augengefälliger national berühmter mächtiger und unbesiegbarer Gigant“ schmücken wie der Hermann Maier von Ulaan Baatar, ein seriensiegender Muskelprotz mit der Popularität eines Popidols?
Weibliche Teilnehmer sind Mangelware.
Für unbeteiligte Betrachter war das Bogenschießen nebenan eine größere Herausforderung, speziell bei Steppenwind, denn die Absperrung bildete einwogender Menschenkordon –
traditionell gekleidete Schützen in „del“ (Wollmantel) „gutul“ (Lederstiefel) und
„loovuz“ (Hut) schießen auf Ringe und Lederziegel auf dem Boden, die Kampfrichter
in 75 Metern Entfernung bewachen.
Die Schussqualität wird mittels Tanz und Gesang an das Schiedsgericht durchgegeben, das die Trefferzahl der Haudegen penibel dokumentiert. Die Schützinnen müssen nur 60 Meter schießen, stehen damit aber bisweilen in der Schusslinie der Männer – ein Wunder,
dass Teilnehmerinnen Mangelware bleiben?
Das Zielgebiet der Pferderennen liegt außerhalb der Stadt, wo sich schon Tage zuvor filzige Zeltstädte aus weißen Jurten gebildet haben.
Es gibt viele Rennen, für einjährige und fünfjährige Pferde, über 15 oder 30 Kilometer,
Zieleinlauf ungewiss: Zehn Uhr? Vielleicht auch Mittag, egal.
Jockeys sind ausschließlich Mädchen und Jungen im Alter von fünf bis acht Jahren, die oftmals ohne Sattel und Stiefel ins Rennen gehen.
Gefeierte Sieger werden denn auch die Gäule und deren Besitzer, nicht aber die Reiter, und zum „tümny ekh“ (Anführer der 10.000) werden wohl nur die wenigsten der 2,7 Millionen Rösser der Mongolei.
Wunderbare grüne Naturlandschaft und ein Vulkan
Schauplatzwechsel – auch wir reiteten, allerdings auf unseren stählernen Rössern, von der Mitte der Mongolei weiter ins nördliche Changai – Gebiet, das zu den landschaftlich schönsten Regionen der Mongolei gehört.
Aber bis dorthin waren noch einige Tagesetappen zu fahren, und die Piste – wenig überraschend – sehr anspruchsvoll. Zahlreiche Bäche und Flüsse mussten überquert werden, also wieder Schwerstarbeit für uns Biker.
Immer öfters leuchtete das Alarmlicht am Instrumentendisplay bei unserer BMW R1200GS
Adventure auf, und zeigte an, dass zu wenig Luft im Hinterrad sei. Dadurch waren wir gezwungen, mehrmals am Tag anzuhalten, um mit dem Bordkompressor von Kurt unser Hinterrad aufzupumpen. Der Vorteil dabei: wir mussten keinen vorzeitigen Reifenwechsel vornehmen.
Aber zurück zur Natur. Glasklare, fischreiche Seen, eingebettet in unberührte Berge.
Saftige, edelweißbewachsene, nach Kräutern duftende Wiesen. Wälder säumten die Piste,
die zum Teil bis auf eine Höhe von 2700 Metern führen. Das waren die Impressionen, die sich uns darstellten.
Unser Tagesziel war der See Tsagaan Nuur. Er liegt inmitten des Khorgo-Terkhiin
National Parks am Fuße des Vulkans Khorgo, der leicht und gefahrlos bestiegen werden kann.
Auch ich wagte den Aufstieg mit der Filmkamera, um von oben den herrlichen Ausblick auf die wunderbare Vulkanlandschaft einfangen zu können.
Die vulkanische Tätigkeit hat der Khorgo vor etwa 6000 Jahren eingestellt.
Wir beschlossen, hier am See Tsagaan Nuur einen Rasttag einzulegen.
Mit voller Energie brachen wir in Richtung Tosontsengel auf. Auf dem Weg dorthin begegneten wir einer Nomadenfamilie, die mit ihrem gesamten Hab, Gut und Viehbestand ein neues Weidegebiet suchte. Der gesamte Hausstand war auf zwei Ochsenkarren verstaut. An diesen urtümlichen Wagen findet man kein Stück Metall: Achse, Naben und die Räder – alles aus Holz. Die großen Yakbullen mit ihren gewaltigen Hörnern rundeten das Bild ab. Es folgten die Yak – und Pferdeherden. Den Abschluss der Karawane bildeten die Schafe und Ziegen.
Die Karawane stoppte. Auch wir hielten an. Wir bestaunten uns gegenseitig. Dann folgten die üblichen Fragen nach dem Woher und Wohin. Wir erkundigten uns nach dem Zustand der Piste und erhielten die erwartete Antwort. Mittlerweile hatten wir gelernt, uns lieber unser eigenes Bild zu machen, denn für einen Nomaden auf dem Pferd ist der Weg auch dann noch gut, wenn er für Motorradfahrer absolut schon unpassierbar ist.
Mit einem Händeschütteln verabschieden wir uns.
Nun war für uns der Zeitpunkt gekommen, um uns die Rückfahrt zu unserem Ausgangspunkt der Reise nach Ulaan Baatar einzuteilen. Die Vegetation wird stärker. Wir sahen wieder Pferde und Rinderherden. So näherten wir uns einer Jurte. Wie wir aus den Reiseunterlagen wussten, gehören zu jedem Ger – das mongolische Wort für Jurte – auch einige Hunde. Unter anderem untermauern die Tiere ihre Daseinsberechtigung mit dem Vertreiben der Wölfe im Winter.
Die drei Exemplare, die uns attackierten, befanden sich offensichtlich im Sommertraining.
Wir versuchten zu entkommen. Auf dieser Piste sind uns die „allradgetriebene“ Hunde jedoch weit überlegen. Neben mir tauchte das erste „dienstfreie“ Ungetüm auf. Meine Wade bereiteten sich bereits auf den Biss vor. Weit gefehlt. Der Hund überholte und nahm Kurt aufs Korn. Oder war er nur auf seine R100GS Paris Dakar abgerichtet? Nach einigen hundert Metern wurden wir uninteressant. Die Hunde, eindeutig die moralischen Sieger, drehten wieder ab. Für die weitere Reise waren wir gewarnt.
Am Pistenrand sahen wir eine Gruppe Geier, die sich über ein verendetes Pferd hergemacht hatte.
Einige Vögel schauten interessiert hinter uns her. Das Geierinteresse veranlasste mich, beim nächsten Stopp in den Spiegel zu schauen. Na ja, eine gründliche Wäsche hätte ich schon vertragen können.
Wir erreichten Erdenet, von hier aus führt eine Asphaltstraße nach Darkhan, wir befanden uns bereits im Aimark Selenge. Unsere Zeit erlaubte es noch, einen Abstecher in den Norden nach Suchbaatar, so heißt der Grenzort an der Mongolischen – Sibirischen Grenze, zu machen.
Kaum angekommen, und schon waren wir von einem Dutzend Leuten angesprochen worden, ob wir nicht günstig Rubel tauschen möchten, wir verneinten und gaben zu verstehen, dass wir nicht nach Sibirien fahren würden.
Die letzte Etappe in Richtung Hauptstadt forderte keine fahrerischen Höchstleistungen mehr, und so gelangten wir nach rund 5.000 Kilometern, auf extrem anspruchsvollen Pisten, unverletzt, und ohne technische Ausfälle nach fast zwei Monaten wieder am Ausgangspunkt unserer Reise an. Erschöpft, aber zufrieden und um viele Erfahrungen und Eindrücke reicher.
Was bleibt von dieser Reise? Erinnerungen an eine beeindruckenden Landschaft, herrlich duftende Wiesen, grandiose Berge. An die Pferde-, Schaf-, Ziegen- und Yakherden, an Kamele, Geier und angriffslustige Hunde.
Unsere Kamera hat dafür gesorgt, dass diese Bilder nicht verschwinden können.
20 Stunden HDV- Videomaterial und 2000 Fotos warten noch darauf überarbeitet zu werden, um bei Vorträgen einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden zu können.
Wichtiger jedoch waren die Begegnungen mit den Menschen. Ich schließe alle ein. Viele von ihnen werden in meiner Erinnerung bleiben.
Als Bestandteil einer Reise, die für mich die Reise meines Lebens war.